Ich habe nachgeschaut: Zuletzt schrieb ich über Work-Life-Balance und Karriere zwischen 2011-2013. Danach nicht mehr, vermutlich, weil ich inzwischen in einer Situation bin, wo mich das Thema nicht mehr als einschränkend berührt, sondern in einer, in der ich das Thema selber formen kann.
Wolfgang hat mich in einem aktuellen Blogeintrag auf die Causa Claudia ten Hoevel bei der Grazia hingewiesen, nebst den guten Beiträgen von „Mann beißt Hund“ Geschäftsführerin Nicola Wessinghage und Robert Franken, ehemals CEO von chefkoch.de und Vorstand urbia.de. Worum geht es? ten Hoevel ist Chefredakteurin des Gruner & Jahr Titel „Grazia“, wollte aus der Elternzeit zurückkommen und 12 Monate lang so arbeiten, dass sie mehr Zeit für ihr Kind hat. Wie viele Stunden das genau sind wird nicht ganz klar, aber es geht darum, dass sie nicht Vollzeit arbeiten will. Und um die Hypthese, dass man ein Magazin nicht leiten kann, wenn man nicht in Vollzeit arbeitet. (nicht Wolfgangs Hypothese)
Kurzer Einschub: Ich habe länger nicht über meine Work-Life-Balance geschrieben, weil ich bei AntTrail einen vollkommen tollen 32-Stunden-Vertrag habe, der mir sowohl ein ausgefülltes Berufsleben ermöglicht als auch Zeit mit meinen Kindern und für meine Hobbies bietet. Anttrail und ich hatten vereinbart, dass wir bei möglichen Agenda-Themen meine Teilzeitstelle nicht thematisieren, auch nach dem Aufstieg in die Geschäftsführung nicht, obwohl das eigentlich gut zu uns als New Work Agency passt. Denn wir verstehen die Option als Selbstverständlichkeit für alle, nicht für eine Person.
Für mich steht ohne Zweifel, dass Karriere und insbesondere Führung auch ohne eine Vollzeitstelle machbar ist. Genausowenig wie arbeiten zwingend an „im Büro auf immer dem gleichen Sessel sitzen“ gebunden ist, ist führen an „40 oder mehr Stunden im Büro erreichbar sein“ gebunden. Und hier müssen wir organisatorisch schon Unterschiede machen, denn in vielen Unternehmen bedeutet Geschäftsleitung oder Führung oder Chef-sein ja 60 Stunden in der Woche. Das gehört oft zum Guten Ton dazu. Aber es lohnt auch zu unterscheiden, dass eine Führungsrolle nicht nur „führen“ bedeutet, sondern auch klare Bereiche hat. Ob man nun definiert „Geschäftsführer besorgt Mitarbeiter, Aufträge und Cash“ oder „Chefredaktion sorgt dafür, dass am Ende des Monats eine neue Zeitschrift fertig ist“, in der Realität gibt es Teilbereiche, die man – wenn man das möchte – teilen kann. Es kann jemanden geben, der sich um die Personalführung kümmert, es kann jemanden geben, der sich um New Business kümmert usw. Wichtig ist für den Erfolg des Unternehmens, dass es für jede Aufgabe einen Häuptling oder Unterhäuptling gibt. Der Rest ist eine reine Organisationsaufgabe. Vorausgesetzt man hat ein Interesse daran, überhaupt über die Möglichkeit nachzudenken. Denn es kann natürlich einen kleinen Mehraufwand am Anfang in der Abstimmung und Umdenke bedeuten. Und es gibt auch mal Komplikationen. Allerdings überwiegen die Vorteile in meiner Erfahrung um ein Vielfaches.
Ich bin ein Freund der Idee, das es möglich ist mit etwas Geld zu verdienen, dass einem Freude bereitet. Und ich bin auch ein Freund der Idee, dass man Mitarbeiter so einsetzt, dass sie ihre Stärken am besten entfalten können. Diese beiden Ideen harmonieren sehr gut miteinander und führen nicht selten dazu, dass sich jemand sehr positiv weiter entwickelt.1 Aber diese Ideen haben nichts mit dem Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit zu tun. Es mag irgendwo sicherlich eine zeitliche Untergrenze geben, aber angefangen beim z.B. bei Unilever und anderen Firmen praktizierten Halbe/Halbe-Modell bis zu meiner Stelle (als Beispiel): Es gibt viele Möglichkeiten, in denen Führung in Teilzeit funktioniert.
Wolfgang hat Robert Franken zitiert und etwas umformuliert:
Wie stelle ich als Arbeitgeber sicher, dass ihr euren Job auch während eurer Zeit mit Kindern so ausüben könnt, dass eure Bedürfnisse nicht hinter meinen zurückstecken müssen?
Zu schlussfolgern, dass es bei diesen Teilzeitführungs-Modellen nur darum geht, einen Mitarbeiter zu halten, ist zu einfach. Denn Familie gehört zum Leben vieler Menschen dazu und daher sollten die regulären Möglichkeiten in der Arbeitswelt – inklusive “Karriere machen” – dies reflektieren, nicht nur die Ausnahme darstellen. Für Frauen und Männer. Und mit dem Bewusstsein, dass Kinder nicht nach 1-3 Jahren auf mysteriöse Weise verschwinden, sondern wechselnde Anforderungen für die Eltern bedeuten.2
Es geht darum anzuerkennen, dass die sagenumwobene Work-Life-Balance lediglich bedeutet, dass man mehrere Interessen im Leben hat und diese irgendwie auslebt. Und dass ein Karriereschritt nicht bedeutet, dass die anderen Interessen verschwinden.3