Update: Anselm Waldermann und ich stehen im Email-Dialog
Tief durch atmen, ich muss ruhig bleiben. Selten habe ich auf Spiegel Online eine derart bildzeitungsmäßige Argumentationskette gelesen, ein hoch auf den Qualitätsjournalismus.
Unter der Überschrift “Windräder bringen nichts für CO2-Ziel” schreibt Anselm Waldermann, “neue Windräder oder Solarzellen sparen kein einziges Gramm CO2 ein.
Puh. Populismus par Excellence und eine Glanzleistung zu dieser Aussage zu kommen. Weil die Gesamtmenge an CO2, die ausgestoßen werden darf, unveränderlich ist, “bringen Windräder nichts.”
Herr Waldermann vermischt hier Äpfel mit Birnen und freut sich über das Ergebenis, ist ja auch lecker, so ein Obstkuchen.
Die Gesamtmenge an zugelassenem CO2 und der Emissisionshandel ist in der Tat ein Problem, da liegt aber auch der Haken. Der Emmisionshandel muss neu regelt werden, damit nicht benötigte Zertifikate nicht für Profit weiter verkauft werden können.
Zu sagen, dass Solarmodule und Windräder kein CO2 einsparen ist schlicht weg falsch, denn natürlich sparen diese Arten der Stromerzeugung CO2 ein. Durch den Emmissionshandel wird dieses Ersparnis “lediglich” negiert, Energieunternehmen nutzen dies aus.
Und offensichtlich ist die Lobby der Energieunternehmen auch groß genug, einen solchen Artikel im “Nachrichtenmagazin” des Landes zu platzieren. Schön ist ein Argument am Schluss, wo neben Äpfeln und Birnen auch noch Zwiebeln dazu kommen.
“Tatsächlich sind Investitionen in Wind- oder Solarstrom nicht sehr
klimaeffizient: Um eine Tonne CO2 einzusparen, muss man verhältnismäßig
viel Geld in die Hand nehmen (siehe Tabelle). Andere Maßnahmen, vor
allem die Gebäudesanierung, kosten deutlich weniger – bei gleichem
Effekt.”
Das mag wohl sein, vergessen wird jedoch ein kleines Detail, nämlich dass Solaranlagen und Windräder nicht gebaut werden, um CO2 einzusparen, sondern um sauberen Strom zu gewinnen.
Hatte ich schon Populismus gesagt? Heute mal ein hoch auf die Bild Zeitung.
Nachtrag: Arlesheim reloaded zitiert brav ohne zu reflektieren, die Achse des Guten plappert freudig nach. Dann ist das Ziel ja erreicht und wir können uns wieder hinlegen.
Update: Anselm Waldermann hat mir eine Email geschrieben, mehr dazu morgen.
26 Comments
Bahne
Danke für den Blogpost. Die Argumentation in dem Spiegelartikel hat mich auch extrem gestört.
Sebastian
Gern, mir ist bald die Hutschnur gerissen.
Florian Noto
Bei den (harten) Verhandlungen über die Menge der CO2-Zertifikate sind Einsparungen natürlich schon bedacht. Es werden ja weniger Zertifikate ausgegeben, als jeweils aktuell gebraucht würden. Von daher sind ausgemusterte 100-Watt-Glühbirnen und stillgelegte Kohlekraftwerke notwendig, um die Ziele überhaupt zu erreichen. Es ist doch kein Naturgesetz, dass die Verträge auch eingehalten werden!
Wenn der Preis jetzt zu niedrig ist, gab es entweder einen unerwarteten Fortschritt oder die Ziele waren zu niedrig gesteckt. Ich tippe auf letzteres. Und daran tragen Industrielobbyisten und willige oder dumme Journalisten ihren Anteil.
energynet » Blog Archiv » Spiegel schreibt Wind- und Solarstrom wieder mal schlecht
[…] berücksichtigt. Mit der Wirklichkeit hat der CO2-Handel aber nichts zu tun, hier werden, wie Sebastian Keil in seinem Beitrag schreibt “Äpfel mit Birnen […]
Andy
Der Spiegel ist schon häufiger durch negative Berichte über erneuerbare Energien aufgefallen. Wo es nur geht, wird versucht Strom aus erneuerbaren Energien schlecht zu reden. Ich erinnere mich an ein Titelthema zur “Landschaftsverschandelung” durch Windkraftanlagen und an den Artikel der zeigen soll, dass das EEG nur Solarfirmen aus China fördert.
Djure Meinen
Reichlich verquaste Argumentationsketten sind durchaus üblich beim Spiegel. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das ein wirklich neu ist oder ob wir es angesichts besseren Informationsstandes nur öfter merken.
Mein letzter großer Aufreger war die Headline “Effekt gleich Null” im Zusammenhang mit Englisch an der Grundschule: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,601836,00.html
Jogi
Danke Sebastian, Du sprichst mir aus der Seele!
daburna
War es nicht auch so, daß ein Wert für CO2-Zertifikate durch das Verschenken an die Konzerne garnicht erst entstehen konnte? Wozu bezahlen, wenn ich es eh bekomme und auch noch zuviele davon habe?
daburnas Logbuch » Blog Archiv » 39 Prozent Strom aus Windkraft in MV
[…] zeichnen, titelt der SPIEGEL “Windräder bringen nichts für CO2-Ziel“. Sebastian Keil hat sich näher mit dem Artikel auseinander […]
Der Spiegel: Windkraft schlecht? | Cleanthinking.de
[…] Sebastian Keil bemerkt: “Puh. Populismus par Excellence und eine Glanzleistung zu dieser Aussage zu kommen. Weil die Gesamtmenge an CO2, die ausgestoßen werden darf, unveränderlich ist, “bringen Windräder nichts.” Herr Waldermann vermischt hier Äpfel mit Birnen und freut sich über das Ergebenis, ist ja auch lecker, so ein Obstkuchen.” […]
samoothh
apropos Populismus…
die “Klimadebatte” hat inzwischen Züge angenommen, die eine sachliche Sicht nahezu ausschliessen. Alle Grüngutmenschen wollen die Erde retten, indem sie das Teufelszeug CO2 verbannen. Die Einsetzung einer Inquisition wäre ein notwendiger Schritt. Damit dürfte dann niemand mehr straffrei etwas Gegenteiliges behaupten noch “wissenschaftliche” Erkenntnisse dazu anzweifeln. Schliesslich soll der Nobelpreis für Al Gore mit seinen Umweltthesen und den daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen nicht umsonst gewesen sein….mit den Folgerungen könnte nun aber auch mal Schluss sein.
Alles, was irgendwie mit Umwelt zu tun hat- im speziellen mit CO2- verspricht in diesen unseren Tagen einen Fördergeldsegen und journalistische Aufmerksamkeit. Ein schöner großer ertragreicher Industriezweig. Welt 3.0 sozusagen. Nach der Technologieblase nichts gelernt.
Um Missverständnissen vorzubeugen- ich finde es unerlässlich, maß- und rücksichtsvoll und sparsam mit unseren Umweltressourcen und unserem Lebensraum umzugehen. Der mediale Müll vom “Klimakiller” CO2 wirkt allerdings demagogisch und nicht nachhaltig. In Afrika hungern immer noch Millionen Menschen und wir investieren Milliarden in Marginalprojekte. Wissenschaftlich sicher ist, dass die CO2-Menge der Temperatursteigerung folgt und nicht umgekehrt. Ich plädiere für die Abschaffung des Wasserdampfes! Davon ist mehr da und es hat auch die größere Klimarelevanz. Ironie wieder aus.
Brief an Waldermann « sebastiankeil.de
[…] Aktuelle Projekte ← Grober Unfug am Journalismus und Klimawandel […]
Sebastian
@Daburna: Das ganze System, dass man Zertifikate kaufen kann, ist nicht sehr zielführend: Überspitzt formuliert ist das eine “Get out of Jail free” Karte.
@samooth: Ich hab nie behauptet, dass das alles so sinnvoll ist, ich stör mich lediglich daran, wenn “Qualitätsjournalisten” die Fakten für eine Story verdrehen.
samoothh
ich ja auch!!! sie sind damit unglücklicherweise meinungsbildend und verschärfen das Zerrbild noch weiter.
Jan Schoenmakers
In der Tat ist der Spiegel-Artikel populistisch…und hängt dazu noch gähnend weit hinterher: die ZEIT hatte bereits letztes Jahr einen wesentlich differenzierteren (wenn auch immer noch einseitigen) Beitrag zum Thema.
Ökostrom/Erneuerbare Energien sind nicht das Problem, sondern die Lösung. Das Problem ist die Macht der Lobbyisten und die Feigheit vieler Politiker…so bieten Zertifikats- und Emissionsrechtehandel reichlich Raum zum Klimaschummel.
Doch anstatt diese Kungelei anzuprangern schreibt die Presse schadenfroh und enthüllungslüstern “Erneuerbare Energien bringen nichts”.
Warum? Nun ja, man vergleiche die Werbeeinnamen von SPIEGEL und Co durch Anzeigen von konventionellen Strom- und Gasanbietern mit denen durch Anzeigen von Öko-Firmen…Nachtigall, ick hör Dir trapsen…
Sebastian
Ich habe gerade hier (http://fluechtigenotizen.wordpress.com/2009/02/10/emissionen-windkraf/) ganz unten etwas mehr über den Autoren erfahren…
me
Oh, guter Beitrag! Hatte auch schon diesen spon-Artikel zur Hälfte gelesen, und war schon etwas verwirrt: Nur weil der Emissionshandel oder das EEG evtl. nicht klimafreundlich sind (obwohl diese Position im spon-Artikel auch etwas übertrieben daher kam), bedeutet das doch nicht gleichzeitig, dass alternative, regenerative Energien ihrem Zweck nicht nachkommen würden!? oO Danach zumindest klang es im Artikel!
Ich fühl mich jetzt von deinem Post hier bestätigt! 😉 Und bin gleichzeitig von spon ein bisschen enttäuscht. Dasselbe ja auch mit dem nicht-existenten “Wilhelm”… http://www.stefan-niggemeier.de/blog/er-sacht-willem-ich-sach-wat/
Nur so ein paar Gedanken zur Diskussionskultur | Ruhestoerung.net
[…] bin ich irgendwie über diesen Blogartikel von Sebastian Keil gestolpert und darüber dann auf den entsprechenden Artikel auf SpOn, den er […]
daburna
Mal kurz intern: Respekt Sebastian! Mit einem guten Posting hast du es in relativ kurzer Zeit geschafft, viel Aufmerksamkeit zu erzeugen. Mehr als vorher, so wie ich das deute.
Sebastian
@me: danke
@daburna: Danke. Ich bin Samstag bei Trackback eingeladen, mal sehen, was das noch bring…
daburna
Sehr interessant! Der SPIEGEL-Autor scheint echt eine kleine Lawine losgetreten zu haben. Nun berichtet auch Telepolis über den Artikel und kritisiert.
Protokoll vom 14. Februar 2009beiTrackback
[…] Ökobilanz Sebastian Keil erklärt, warum Windräder kein CO2 einsparen sollen […]
TRB 116: CO2, Venteria, Zensur, Berlin BatterybeiTrackback
[…] Richter am 14. Februar 2009 in Podcast. 00:07 Linktipps 15:02 Sebastian Keil erklärt, warum Windräder kein CO2 einsparen sollen 24:50 Dennis Blöte verkauft sein Hobby Venteria 33:25 Matthias Schindler war bei der […]
Kanal 14 » K14 Interview
[…] von EnergynetBlogeintrag vom Klima-LügendetektorTrackback-Interview mit Sebastian KeilBlogeintrag von Sebastian […]
Nachtrag zum SpOn-Artikel: Kanal 14 Interview mit Hans-Josef Fell « sebastiankeil.de
[…] 24, 2009 · Keine Kommentare Um mich nach dem SpOn-Artikel und Folgen (inkl. Interview bei der Sendung Trackback auf Radio Fritz) ein wenig schlauer in Sachen EEG und […]
Die (Strom)-Welt wie sie mir gefällt.
[…] knapp einem Jahr schrieb der Spiegel Windräder bringen nichts fürs CO2-Ziel und ich hab meinen Unmut ob der hanebüchenen Argumentation geäußert. Der Autor Herr Waldermann und ich haben danach Emails […]