Kusadasi. Ein Airbnb mit viel Platz, Klimaanlage und Pool. Es könnte schlimmer sein. Mittwochabend darf bis spät gebadet werden, das machen wir auch. Donnerstag gibt es viel zu regeln und zu arbeiten, und es muss im Pool geschwommen werden. Der Weg durch die Innenstadt zum Hafen ist ein reines Touristenfangen, die Koberer sprechen uns auf allen möglichen Sprachen an und wollen uns Trikots, Parfüm und Schuhe andrehen. Einmal (oder zweimal) werden wir schwach, aber es bleibt immer der Gedanke, was wäre, wenn hier tatsächlich was los wäre? Normalerweise wächst Kusadasi im Sommer von 100.000 auf 1.500.000 Einwohner an, in diesem Jahr nicht.
Der Lady Beach Club ist für unser Empfinden zu voll, aber wir sind ja auch eher die Eigenbrödler. Fakt ist, es ist Hochsaison und nur 1/3 der Sonnenliegen ist belegt, obwohl die Sonne scheint, obwohl man hier nichts von Putsch oder sonstigen Außenwirkungen merkt. Es fehlen einfach die Gäste. Freitag machen wir uns auf nach Ephesus, ein in großen Teilen freigelegtes Weltwunder. Abgesehen davon, dass es viel zu warm ist, ist das einer der beeindruckendsten archäologischen Orte, die ich je gesehen habe. Die schiere Größe sollte nicht verwundern, aber so ein komplettes Römerdorf sieht man eben nicht so oft. Dazu einige Überraschungen wie zB die Hanghäuser – Häuser mit 6 oder 7 Wohnungen, Wohnungen mit einer Zimmeraufteilung so wie wir sie kennen. Zwei Theater, eine Bibliothek, wirklich beeindruckend. Also, im Ernst.
Dann ist schon wieder Packen angesagt. Sonntagmorgen bringt uns unser Vermieter freundlicherweise zum Fährterminal für die Überfahrt nach Samos. Bei der Planung waren wir uns nicht sicher, ob wir diese Route nehmen wollen, es ist schließlich genau die Strecke, die viele Flüchtlinge „nehmen“. Dennoch. Check-in ist wie beim Flughafen: Security, Passkontrolle, Boarding Pässe. Wir boarden mit ca. 30 anderen Reisenden, verstauen unsere Koffer und das Boot macht sich auf die knapp 20 Kilometer lange Strecke. Die Kinder versuchen zu schlafen oder spielen iPad, ich nehme mir meine Kopfhörer. Aus irgendeinem Grund höre ich Mare, eine Empfehlung eines – ach, das würde zu lange dauern. Keine Ahnung, ob der Bandname sich eher auf ein altes Pferd oder Wasser bezieht, aber die Klänge passen. Während wir das Festland hinter uns lassen und sich nach vorne schon relativ schnell Berge im Dunst abzeichnen. Wir sehen Dinge im Meer schwimmen. Rettungswesten, Koffer, Dinge, die wir nicht erkennen. Es ist alles sehr real. Die Kinder sehen zum Glück nicht was wir sehen und in diesem Fall belassen wir es dabei. Sie kennen die Bilder aus den Nachrichten, und machmal reicht dieser viereckige kuratierte Blick auf die Realität, ich finde in den letzten Wochen hatten die beiden schon genug Realität für ihr Alter. Und in diesem Fall weiß ich auch nicht, was ich ihnen sagen sollte. In diesem Fall bin ich froh über die Musik, die mir hilft, die Realität zu verarbeiten.
Irgendwann ist das Boot parallel zu ersten Ausläufern der Insel, auf der die griechische Flagge weht, auch am Strand sehen wir Gegenstände liegen. Zu diesem Zeitpunkt sind wir vielleicht 60 Minuten unterwegs, und ich kaufe zwei Kaffee. Espresso mit Milch, kein Nescafe, 2 Euro das Stück. Wie nah das alles beieinander liegt. 25 Minuten später legen wir auf Samos an, noch mal Passkontrolle, und dann noch mal kollektives Ausatmen. Klar, wir hätten auch direkt nach Deutschland fliegen können, aber wir wollten eben auch nicht fliehen. Diesen Weg haben wir uns selbst ausgesucht, inklusive der Verzögerung von nun insgesamt 16 Tagen nach dem Putsch. Aber es fühlt sich gut an, zwar auf fremdem (wir waren noch nie in Griechenland) aber implizit vertrautem Boden (EU) zu stehen. Und dann steht da Sandy mit einem Schild. Sandy ist kein 25-jähriges griechischen Mädchen sondern ein 40-jähriger gebürtiger Holländer, der mit uns Deutsch spricht und uns die Reise erstmal vergessen lässt. …
Nach knapp einer Stunde über immer schmaler werdende Straßen und Serpentinen landen wir in Ormos Marathoukampos. Bei näherer Betrachtung ein Dorf mit zwei Straßen. Das Airbnb-Bild hat einen Blick auf Wasser, also nehmen wir die Strandstraße und rollen so lange, bis wir Studios Kleopatra finden, unser Zuhause für die nächste Woche. Klein, einfach, aber AC in den Schlafräumen und WLAN, dazu 30 Meter bis zum Wasser. 30 Meter bis zum Wasser in dem man schwimmen kann. Wir werden es hier aushalten, auch wenn es mir persönlich mindestens sechs Grad zu warm ist.
Kalimera