Wie heißt es bei “Ein Schwesterchen für Karlchen”: heute ist alles anders.
Die Aircondition weckt uns kurz vor dem Tiefschlaf, also wird sie ausgeschaltet. Gegen vier Uhr nachts kommt Jrs vorbei, ein Mückenstich juckt. Erst gegen 9 Uhr morgens werden wir wieder wach, nach knapp neun Stunden mehr oder weniger gutem Schlaf. Mehr gutem.
Wir sind nicht mehr in Istanbul, sondern in Kusadasi, knapp 50 Kilometer von Izmir entfernt, knapp 600 Kilometer von Istanbul entfernt. Der Vermieter unseres Airbnb holt uns vom Busbahnhof ab, und das erste was wir lernen ist, dass der Coup hier praktisch nicht spürbar ist. Eine gute Nachricht, denn das war das Ziel.
Schon in der Woche nach dem Coup wird klar, dass Christianes Arbeitsmöglichkeiten eingeschränkt sein werden. Um Interviews zu führen, muss man sich in der Stadt frei bewegen können, um gute Interviews zu führen, muss der Kopf frei sein. Also planen wir den Texit, sprechen aber noch nicht drüber.
Unsere Wohnung in Hamburg ist noch belegt, und eigentlich wollen wir auch nicht sofort nach Deutschland, wollen nicht fliehen. Eher etwas Urlaub machen und im wahrsten Sinne des Wortes entspannen. Und was sehen. Balkanroute zurück zum Beispiel, oder etwas Zeit in Griechenland verbringen, soll schön sein da. Airbnb und viele Telefonate mit den Fluglinien später haben wir einen Plan, der der gesamten Familie gefällt. Nun gilt es vor allem, Gepäck reduzieren, also Zimmer und Schränke aufräumen und drei Pakete nach Deutschland schicken.
In der Zwischenzeit machen wir das gleiche wie in der Woche davor, nämlich so gut wie nichts. Wir arbeiten, spielen Lego, Fußball, iPad und gehen ab und zu mal einkaufen. Zweimal noch gehen wir alle in die Stadt. Ein letztes Mal zum Kaufmann und zum Bäcker. Ich sage Bye-Bye, ahme ein Flugzeug nach und sage Allmanya. Oh, sagt er, und Auf Wiedersehen.
Ein letztes Mal zum Turm, ein letztes Mal frisch gepresster Granatapfelsaft, ein letztes Mal ins Büro. Ein letztes Mal ein netter Abend mit Freunden – wirklich nett. Und wirklich schade, diese Sache mit dem Putsch…
Mittwoch früh machen wir uns auf den Weg. Taxi zum Sabiha Gökcan Flughafen, Pegasus Air nach Izmir, dann mit dem Bus nach Kusadasi. Da sind wir jetzt erstmal. Und lassen die Anspannung raus…
Iyi Günler!