Die Woche beginnt mit Ruhe. Das Wetter hat sich etwas beruhigt, tagsüber 27 Grad, abends windig, nachts angenehm. Nach der Arbeit wird geplanscht oder eingekauft, Kaffee getrunken oder auch Gilmore Girls geguckt, das Yufka-Börek variiert.
Freitagabend kommt Besuch aus Deutschland, es wird gegessen, getrunken, gequatscht bis spät. Am Samstag geht es nach Europa, wir wollen die Zisterne anschauen. Genau wie der Topkapi-Palast aus der Zeit von Justinian, ist das im Prinzip ein großer unterirdischer Raum, wo früher mal Wasser drin gesammelt wurde. Heute leben hier viele Fische und in einem Cafe wartet ein Mann vergeblich auf Kundschaft. Der Wanderweg ist leider zu hell beleuchtet, aber die Grundstimmung ist da.
Die Gäste wollen einmal durch die Hagia Sophia, „wartet mal 20 Minuten hier“. Die Kinder essen Simit mit Nutella, während wir die erhöhte Sicherheit im Vergleich zu vor vier Wochen wahrnehmen. Ein Panzerwagen patroulliert, Polizistenpärchen sind unterwegs. Wir ziehen weiter durch den Großen Bazaar (Bild oben), kaufen wieder nichts und machen uns über die Galata-Brücke auf zu meinem Lieblingsrestaurant Akin Balik. Lockere Atmosphäre, absolut leckeres Essen und faire Preise. Und guter Blick. Fanden die Gäste auch.
Nach Nickerchen in der Hängematte und Kurzeinkauf verbringen wir auch diesen Abend mit Mezze, Wein und Geschichten – wir mussten ja nicht am nächsten Morgen um sieben zum Flughafen… Es könnte schlimmer sein.
Chronologisch steht hier wohl etwas zum Thema Fußballeuropameisterer, aber wir haben weder unsere Facebook-Avatare mit Islandfahnen geschmückt, noch das Finale geguckt. Im Bett habe ich auf Twitter gelesen, dass CR7 zusammen getreten wurde und auf Facebook Anfang der Woche verfolgt, dass Jogi noch nicht weiß, ob er weiter macht, dass er nicht kritikfähig war, dass die deutschen ein Sturmproblem hatten, wie alles wieder gut wurde, weil im Video ein portugiesisches Kind einen weinenden französischen Fan getröstet hat und wie alle plötzlich Ronaldo doch mögen.
Kann sein, dass das alles stimmt, vielleicht auch nicht. Hallelujah.
Dienstag geht es, Trommelwirbel, zum Frisör. Bewaffnet mit Fotos nehmen Jr. und ich Platz und sind auch sofort dran. Der Barbier ist natürlich nicht Frau Wegner und Jr. etwas eigen, aber am Ende ist er zufrieden. Also Jr. Bei mir geht es auch ruckzuck und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Funfact: Hinterher Nieselhaare rauswaschen gehört hier dazu, inkl. Ohren trocken legen.
Mittwoch ist ein komischer Tag und wir beschließen, nach Kuzguncuk zu fahren, in das Café mit WLAN, wir können noch ein bisschen arbeiten, essen und die Kinder spielen. Bei guter Aussicht, bei gutem Wetter, man gönnt sich ja sonst nichts. Das klappt so mittel, denn die Kinder wollen lieber auf unseren Handys spielen, als auf dem Spielplatz, was dem Vater so gar nicht passt. Nun denn, irgendwann sind alle ein bisschen zufrieden, und wir machen uns auf den Heimweg. Hängematte, Podcast, Liegestuhl, Gilmore Girls (irgendwie müssen die Kinder ja ihr Englisch behalten 🙂 )- grundsätzlich kann man es viel schlechter haben.
Donnerstag beginnt mit der Einsicht, dass diese Woche noch gar nicht gebloggt wurde. Die offizielle Antwort ist, dass wir an einem Dienstag gestartet sind, an einem Donnerstag zurückkommen, sich der Veröffentlichungstermin also verschieben muss (denn ich kann ja nicht über eine halbe Woche bloggen), die Wahrheit ist aber, dass noch nicht die Muße da war. Die Vermieterin fährt früh zum Markt, und dann muss ich zur Post und zum Wiedafon-Laden (Name geändert), zwei Erfahrungen die diametraler nicht sein können.
Ausgerechnet bei der Post (ich liebe die Leute in meiner Filiale in Hamburg) erlebe ich zum ersten Mal in der Türkei deutsches Bürokratentum Schrägstrich Servicewüste, wie man es im Buche finden würde. Als Absender darf ich keine deutsche Adresse angeben (obwohl da ein Feld „Country“ ist). Den Tränen nah 😉 rufe ich meine Vermieterin an, die gar nicht auf meine Frage antwortet sondern gleich sagt: Das kennen die nicht, können die nicht, vergiss es, nimm meine Adresse. Oh, ok. Der Kartenleser darf nicht benutzt werden, und ich hab nicht genug Bargeld, der Automat ist nur 50 Meter entfernt… keine Chance – Mittagspause.
Im Wiedafon-Laden versuche ich zu erklären, dass die 50 GB des mobilen WiFi-Steins alle sind. Wir erinnern uns, das Gerät, dass sie mir geliehen haben unter der Bedingung, dass ich es zurück bringe. Ohne meine Adresse zu haben. Der Mann nimmt, macht und erklärt mir, dass ich nun für die nächsten drei Monate 25 GB habe. 80 TL. Ok, gebe ich ihm aber will er nicht. Bezahlt wird später… Versteckte Kamera bei Wiedafon?
Viel „es könnte schlimmer sein“ diese Woche. Mit Recht. Nächste Woche sind es noch vier Wochen bis wir zurück sind, noch ein Monat bis ich wieder ins Büro gehe. Und wenn ich letzte Woche schrieb, dass wir schon an Dinge in Hamburg denken war das kein Spaß. Die Kinder sprechen immer mehr von ihren Freunden, vor lauter Verzweiflung 😉 lernt Jrs. jetzt auch die Schachregeln und übt Anlaute (siehe Cheat-Sheet). Spiele mit den Kindern aus der Straße werden einfacher, müssen sein, bloß mal was Anderes machen, wenn man gerade nicht iPad spielen darf.
Und die Welt bleibt ja nicht stehen. Zumindest nicht länger, als unsere drei Monate. Vielerorts ist es schlimmer, ich sage nur Boris Johnson, Außenminister, Hallelujah.
Keine Sorge, es wird noch prosaischer… nächste Woche 😉
Iyi Günler.