Vier Wochen sind um – Schon! Wahnsinn, wie die Zeit vergeht. Vielleicht mal ein paar allgemeine Anmerkungen und Beobachtungen?
Drei Stellen hinterm Komma! Ich weiß nicht, warum man die braucht, aber Taschenrechner haben hier drei Stellen hinter dem Komma. Das erste Mal beim Bäcker habe ich etwas geschluckt, als er mir 2300 TL hinhielt, durch drei, die letzten beiden Stellen werden die Pfennige sein, 8 Euro, ok, naja, es schmeckt ja. Aber es waren 80 Cent, die er für zwei Simits und ein Brot haben wollte. Oder die die Milch kosten soll. Muss man wissen, drei Stellen. Überhaupt, Brot. Als Tourist in Amerika (oder Langzeitgast) bekommt man schnell gesagt (und lernt), „das Brot ist hier nicht so doll“. Hier in Istanbul: Sehr lecker und wie schon gesagt, sehr günstig.
Plastiktüten. Eigentlich kenne ich das ja aus Amerika noch, aber inzwischen sind fast 20 Jahre vergangen. Alles. Jedes Einzelteil. Jeder Laden. Immer. Eine. Neue. Plastiktüte. In der ersten Woche haben wir noch gesammelt. Wie früher. Doch schnell war der Plastiktütensammler voll (gibts bei IKEA), und kein Radio Kienaß wie in Heide, der sich über gebrauchte Tüten freut. Also schmeißt man die mit weg. Und denkt über die Menge nach, bei einer Stadt, die knapp 10x mehr Menschen beherbergt als Hamburg.
Donnerstag sind wir privat eingeladen, genießen den Blick von einer Dachterrasse, und stellen fest: um halb elf abends kostet die Taxifahrt von Europa nach Asien weniger als von der Osterstraße nach Hause. Und schneller geht es auch. Man merkt: Der Ramadan hat begonnen. Die Straßen sind, nicht nur nachts, deutlich leerer, gegen Abend gibt es immer lange Schlangen beim Bäcker – man möchte das Ramadan Pide – und einige Läden haben auch einfach zu.
Freitag ist schönes Wetter, also verbringen wir viel Zeit im Garten. Da wir gestern nicht beim Gemüsebasar waren muss eingekauft werden. Ein Traum, Berg runter und mit den Tüten wieder rauf. Während mir die Hitze zu schaffen macht haben die Kinder nur ein Ziel: Eröffnungsspiel (zumindest eine Halbzeit)
Samstag geht es in die Mall „Capitol“. Die liegt direkt neben der Sakirin Moschee, einer der modernsten Moscheen des Landes, zudem wohl die erste, die von einer ArchitektIN erdacht wurde. Die Mall hat alles zu bieten, was man erwartet, von Schuhläden in Masse, über McD und Burger King (Lunch!) bis zu Starbucks und Kiehls. Und statt Spielplatz ein Wasserbecken mit Choreo. Die nur zur fixen Zeiten läuft, eine super Geschäftsidee. „Wann ist die nächste Vorführung?“ „In 15 Minuten.“ „Können wir so lange noch bleiben?“ „Na eigentlich haben wir all-“ „Och bütte Papa!!“…
Sonntag geht es wieder nach Kuzguncuk, wir sind in dem Kleingartenparzellenpark zum Frühstückspicknick verabredet. Dieser Park ist erstaunlich weitlaufend und vielseitig (und natürlich hügelig), von Gemüse bis Dschungel. Ich bin zunächst dabei, den Gästewechsel in der Hamburger Wohnung via Hotspot auf dem türkischen Handy und Whatsapp auf dem deutschen zu begleiten und lasse mir dann von Jr. die Gemüsesorten in den Beeten erklären und schließlich die besten Wege „nach oben zum Friedhof“ zeigen. Irgendwann müssen wir uns trennen. Die türkischen Freunde wollen zum Nachmittagsspiel zu Hause sein, wir brauchen noch ein T-Shirt (und eine weitere Vorführung der Wassersymphonie), deshalb machen wir auf dem Rückweg noch kurz an der Mall halt.
//Einschub: Wege in Istanbul. Das erste Mal kommt mir jeder Weg verhältnismäßig lang vor, aber schon beim zweiten Mal ist nichts weiter als in Hamburg auf dem Nachhauseweg bei Rewe rein. Man gewöhnt sich daran, dass die Wege etwas länger sind, aber vielleicht ist es auch die Tatsache, dass ich so gut wie keine punktuellen Termine habe, abgesehen von Interviews oder Zuhör-Meetings.//
Bei Starbucks in der Mall nehmen sie mich etwas auf den Arm, aus dem Grande Cafe Americano mit Milch wird ein Grande Americano, was irgendwie ein kalter Tee ist, beim neugemachten fehlt die Milch, mein Türkisch ist scheinbar noch lange nicht da, wo es sein muss.
Irgendwann sind wir wieder zu Hause und stellen uns seelisch auf das Deutschland-Spiel ein, den Verlauf bzw. die Kommentare und das Verhalten der Familie lasse ich unkommentiert…
Montag endlich mal wieder in den großen Supermarkt mit der Vermieterin, wo mein Freund Orchun meine Frisur komplementiert. Spaßvogel. Er hat irgendwann mal überhört, wie unsere Vermieterin meinen Namen durch den Laden gerufen hat, und mich ein paar Minuten später ebenfalls gerufen. „Sebastian, Sebastian!“ So als würden wir uns kennen. Ich habe natürlich zuerst die Welt nicht verstanden, versteckte Kamera vermutet, bis sich die Sache aufklärte. Jetzt üben wir immer meine neueste Vokabel oder wenn es die nicht gibt, ich bin ja auch faul, geht der Dialog ungefähr so: Guten Tag Orchun, Guten Tag Sebastian. Orchun. Sebastian. Orchun. Sebastian. Schönen Tag noch. Dir auch!
Güle Güle