Woche Zwei ist um und ich fange mal da an, wo ich aufgehört habe, bei der Istanbulkart und Freundlichkeit. Bzw. umgekehrt: Die Karte muss man natürlich VOR der Fahrt aufladen. Manchmal ist nicht so ganz klar, wie viel eine Fahrt genau kostet, und es ist uns passiert, dass wir 0,20 TL zu wenig drauf hatten. Was machen wir als Uninitiierte? Wir zücken unsere Brieftasche und wollen bar bezahlen. Geht nicht. Was nun? Es dauert keine 3 Sekunden, da werden uns drei Karten entgegengehalten, damit wir bezahlen können, mit denen wir bezahlen sollen. Unsere Versuche, den Besitzern die ausgelegte Summe zurückzugeben, scheitern jeweils. Mag sein, dass es an unseren beiden (wahnsinnig süßen) Kindern liegt, aber ich habe eher das Gefühl, dass man hier Paying it Forward lebt. Zumindest im Bus.
Darüber hinaus haben wir eine „normale“ Woche gelebt. Die Gattin geht in Europa zur Arbeit, zweimal holen wir sie ab, wir gehen spät abends mit der Vermieterin einkaufen, finden langsam Dinge die den Kindern schmecken, wobei es weiterhin der Junior ist, der sich furchtlos den neuen Sachen nähert (insbesondere wenn er Hunger hat). Schmeckt ihm nicht alles, aber er versucht’s.
Das Wochenende ist frei und wir nehmen unseren Führer zur Hand, um spannende Reiseziele zu finden. Samstag geht es auf unserer (asiatischen Seite) an der Küste nach Norden, wobei wir zunächst den Bus in die falsche Richtung nehmen. Der Busfahrer denkt allerdings mit und erklärt eine Alternativroute, die letztendlich nicht viel Umweg darstellt. Wir besichtigen den Sultanspalast Beylerbeyi, in dem man leider keine Fotos machen darf, dessen Besuch wir aber sehr empfehlen. Hochherrschaftlich, der Sultan hat hier nicht gespart. Die großen Räume im Erdgeschoss und ersten Stock, Pool Hall und Blue Hall, sind riesig, 650qm vermutlich noch zu konservativ geschätzt, und die Möbel aus der Zeit zeugen von eindrucksvoller Herrschaft. Inklusive der Nachteile für die unterdrücktetänige Bevölkerung. Nach der Besichtigung gehen wir ein paar Schritte weiter ins Dorf. Am Anleger quasi ein süßes Fischerdörfchen und man vergisst, dass man theoretisch immer noch in der Metropole ist. Leider fährt die Fähre weiter nach Norden am Wochenende nicht, so dass wir den Bus nach Kanlica nehmen, dort soll es laut Reiseführer tollen Joghurt geben, eine Mischung aus Schafs- und Kuhmilch .
Angekommen essen wir Kokorec, das ist Döner mit Lamm. Merke: Döner ist eigentlich spezifisch Rind. Könnte man wissen, allerdings gibt es in Hamburg so oft mehrere Fleischsorten zur Auswahl, dass mir das entgangen ist. Der berühmte Joghurt von Kanlica wird mit Puderzucker serviert und in meinen Augen ist das die Besonderheit. Denn ansonsten schmeckt’s halt wie der Joghurt, den wir hier im Laden gekauft haben. Lecker, keine Frage. Da ändert auch die idyllische Lage nichts. Kanlica selbst ist eher ein kleiner Ortsteil und abgesehen vom Pier und den angrenzenden Schmuckständen nicht so viel los. Der Blick über den Bosporus entschädigt allerdings. Der Weg zurück ist lang, wird stehend im Bus zurück gelegt und irgendwie feiern die Kinder die Bratkartoffeln zum Abendbrot.
Sonntag geht es wieder an die Küste, diesmal in Richtung Süden nach Kadiköy, wobei wir erstmal wieder den Bus in die falsche Richtung nehmen (natürlich eine andere Linie). Umgestiegen und angekommen wollen wir den Hayderpascha Bahnhof anschauen, der bei unserem Glück wegen Renovierungsarbeiten geschlossen ist. Kann man nach 110 Jahren aber auch mal machen. Wir machen ein paar Fotos von außen und entschließen uns, mit der Fähre nach Karaköy zu fahren, um nett Fisch zu essen. Die ursprüngliche Idee unten in der Brücke zu essen verwerfen wir, nachdem die „Kobler“ so nerven, dass ich nicht mal zum Denken komme. Nein, ich möchte nicht deine Karte anschauen.
So gehen wir zu Ann Balik, direkt an der Fähre, wo wie vor knapp vier Jahren schon mal waren. Ähnlich wie beim Butcher’s in Hamburg zeigt man auf das Stück (hier: Fisch), das man essen möchte und sucht ein paar Beilagen aus. Gesagt, getan. Jrs. vertilgt die Kalarami und die Melone, Jr. den gegrillten Lachs und den Käse, und dann ist da passenderweise ein großer Sandhaufen, der dringend bespielt werden muss. Wir genießen Wein und das erste (!) Bier der Reise und lassen einfach die Seele baumeln.
Was noch? Die Kinder haben ihren Rhythmus knapp 2,5 Stunden nach hinten verlegt, was der Arbeit entgegen kommt und unseren Fernsehkonsum entsprechend mindert. Mein erstes Buch habe ich in vier Tagen durch gehabt, und mache beim nächsten und zwei Sachbüchern Fortschritte wie lange nicht mehr… Einen Bericht zum Thema Gitarren wird es separat geben, nur soviel vorab: Klar, dass in einer knapp 10x so großen Stadt die Auswahl entsprechend größer ist…
Ich würde sagen, wir sind eingelebt, ein Kalender hängt, Besucher und EM-Spiele mit deutscher Beteiligung sind eingetragen, erste Urlaubsideen ebenfalls.
Iyi günler.